Normalität in Krisenzeiten

Wie „normal“ das Jahr 2019 war, trotz all der Herausforderungen, sehen wir jetzt erst im Rückblick und mit dem Wissen, dass alles für unsere ganze Gesellschaft von einem Tag auf den anderen ganz anders sein kann. In welchen Feldern wir als Caritas Steiermark – zu „normalen“ Zeiten wie in Krisensituationen - tätig sind, um möglichst vielen Menschen Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe zu eröffnen, möchten wir in unserem Wirkungsbericht aufzeigen. Vier KlientInnen und vier Freiwillige berichten von ihrer persönlichen Verbundenheit mit der Caritas Steiermark. Mit dem Caritas Wirkungsbericht möchten wir auch DANKE sagen für Ihre Unterstützung. Sie ermöglicht uns, unsere Hilfe auch in besonders fordernden Zeiten wie diesen in der gleichen Intensität fortzusetzen.

Statt eines klassischen Vorwortes soll an dieser Stelle deshalb ein Dialog in den Caritas Wirkungsbericht 2019 einführen: Im hier folgenden Video blicken die Kuratoriumsvorsitzende Kristina Edlinger-Ploder und Caritasdirektor Herbert Beiglböck gemeinsam auf das Jahr 2019 zurück, um dabei Themen wie die Institution Caritas, verantwortliches Handeln in Krisenzeiten wie diesen oder die wertvolle  Freiwilligenarbeit zu beleuchten.

Im Anschluss finden Sie das Video. Weiter unten können Sie das Gespräch außerdem noch einmal nachlesen.

Kristina Edlinger-Ploder & Herbert Beiglböck
Das Gespräch zum Nachlesen

Edlinger-Ploder: „Es gibt für uns nicht nur den Jahresbericht und das Budget, sondern wir konzentrieren uns einfach darauf, was hat es bewirkt bzw. was können wir bewirken? Und da ist nicht immer nur die Tätigkeit der Caritas gefragt, sondern auch die Konsequenzen, die nachfolgenden Wirkungen.“

Herbert Beiglböck: „Wir haben, ähnlich wie in den letzten Jahren, einen Umsatz von 97 Millionen Euro gehabt; der Großteil davon im Bereich Pflege und Betreuung, das ist ungefähr die Hälfte – dann der Bereich Beschäftigung mit etwa 20 Millionen, das sind die Carla Läden mit den Umsätzen und den ganzen Förderungen im Bereich Beschäftigung. Diese beiden Bereiche erwirtschaften einen leichten Überschuss. Den verwenden wir um dann den Bereich der Bildung und Interkultur und vor allem den Bereich der Hilfe zu finanzieren, wo wir dringend Geld brauchen. Gerade im Hilfebereich sind wir auf Spenden angewiesen: Obdachloseneinrichtungen, Marienambulanz, das Marienstüberl - da brauchen wir Geld, aber auch in der Auslandshilfe. Wir kriegen ungefähr sechs Millionen an Spenden, davon zwei Drittel für das Inland, ein Drittel für das Ausland. Damit versuchen wir dort zu helfen, wo unmittelbare Not ist. Wenn du dir diese kritischen Stimmen auch ins Bewusstsein holst, wo sehen die Leute eigentlich unsere größten Stärken, aber wo werden auch Schwächen benannt, die wir da zumindest vermitteln in die Gesellschaft?“

Edlinger-Ploder: „Ich glaube, dass es immer schwer ist - die Caritas ist eine laute Stimme der armen Menschen und ist eine Anwältin. Wenn man über das Bild der Caritas spricht: ich glaube, manchen Menschen ist nicht bewusst, dass es Situationen gibt, die jeden treffen können. Obdachlos zu werden, arbeitslos zu werden, in eine psychische Krisensituation zu kommen durch Umstände, vielleicht eine Suchterkrankung zu bekommen – dass es hier nicht um Schuld geht, sondern dass es einfach darum geht, die Menschen in der Situation zu erkennen, aufzufangen und ihnen die Hand hinzuhalten.“

Herbert Beiglböck: „Ich meine, das ist nicht so belastend für mich; man ist im Grunde schon gern geliebt, aber entscheidend ist, dass wir dem Auftrag treu bleiben. Wir wollen schon auch unbequem sein, weil diese Stimme braucht‘s – bei all dem wo es uns gut geht, wir dürfen niemanden zurücklassen. Aber ich habe zum Beispiel gerade in diesen Tagen eine junge Unternehmerin am Telefon gehabt, die bei Krediten Haftungen übernommen hat und die anderen Geschäftsteilnehmer sind dann ausgestiegen, sie ist zurückgeblieben und sie hat mir gesagt: „Ich kann am Freitag nicht einkaufen gehen, ich weiß nicht wie ich meine Einkäufe tätigen kann.“ Und sie hat sich das nie vorstellen können, dass sie jemals bei uns anrufen wird, aber das geht ganz schnell, wenn ein paar Entscheidungen falsch getroffen werden, ein paar Schicksalsschläge zusammenkommen, dann kann es jede und jeden treffen, dass die Person sagt, ich brauche jetzt jemanden der für mich da ist; alleine schaffe ich das nicht mehr, sei es bei den Lebensmitteln, sei es bei den Energiekosten, was auch immer…“

Edlinger-Ploder: „Und da komme ich jetzt aber auf die aktuelle Situation und den quasi neuen Alltag. Onlinehandel ist für Carla kein Thema gewesen, aber wie insgesamt in der Geschichte der Caritas – die Digitalisierung jetzt zu verarbeiten, ich glaube da wartet noch ein schönes Stück Arbeit auf uns.“

Herbert Beiglböck: „Ja, wobei ich sagen muss, wir haben jetzt ein paar Jahre davon gesprochen, auch im Kuratorium; in diesen vier, fünf Wochen, in denen wir jetzt in diese neue Situation hineingeführt wurden, ist wahrscheinlich mehr weitergegangen als in drei Jahren – plötzlich war es notwendig und es ist wahnsinnig viel weitergegangen an Homeoffice, an Videokonferenzen, auch an ganz neuen Formen, wie man Dinge abgeklärt hat. Das, glaube ich, passt auch ganz gut zur Caritas. Wir haben schon immer über Herausforderungen gelernt und die jetzige Situation ist ein Lernprozess, was Digitalisierung betrifft.

„Wie schaffen wir in einer Gesellschaft, wo plötzlich Distanz gefordert wird, wo Menschen sich voneinander abgrenzen müssen, trotzdem Nähe?“ Herbert Beiglböck

Das ist das eine, aber das andere ist, gerade in der jetzigen Krise haben wir auch gesehen, dass die Größe Riesenvorteile hat: wir sind in der Lage, aus dem Bereich der mobilen Pflege MitarbeiterInnen in den stationären Bereich der Pflegewohnhäuser zu bringen und dort mitzuhelfen, dass wir die Krise gut bewältigen können. Wir haben gesehen, dass die Leute aus dem Bereich der Carla Läden, der Beschäftigung, ganz schnell einen Bereich Lebensmittel aufgestellt haben in den Regionen. Das geht, wenn du niemanden hast, nicht von heute auf morgen – die Größe hat da Vorteile, auch im finanziellen Bereich.“

Edlinger-Ploder: „Wobei wir ja auch oft im Kuratorium diskutieren, wie überrascht wir sind, wie viele Bereiche die Caritas eigentlich abdeckt. Jede/r von uns der dort sitzt, kommt mit seiner Caritas herein und dann macht sich eine Tür auf und das Haus ist noch viel größer als man gedacht hat.“

Herbert Beiglböck: „Und wir leben dann ja auch so von der Stimmung, wo insgesamt etwas gelingt. Wir haben Gottseidank die Situation in Graz, wo wir fast alle obdachlosen Menschen, die in der Stadt leben, irgendwie kennen; und wir können dabei unterstützen, dass es eine Wohnung gibt, dass es Begleitung gibt – wie Menschen aus ganz schwierigen Situationen den Weg zurück finden. Einer der Punkte, die da ganz berührend sind für mich: wenn ich mich bei Ehrenamtlichen bedanke für die Arbeit und sage vielen Dank, dass sie hier schon seit so vielen Jahren im Marienstüberl arbeiten oder im Lerncafe; und sie sagen, ich muss mich bedanken, dass ich da arbeiten darf, weil das gibt meinem Leben Sinn.“

„Menschen eben gerade dann zu erleben, wenn sie aus ihrer Schwäche herauskommen und wieder erstarken, das sind wirklich Momente, die was auch immer auslösen können – wahrscheinlich kann man das medizinisch sogar nachweisen mit irgendwelchen Endorphinen oder etwas Ähnlichem..“ Edlinger-Ploder

Herbert Beiglböck: „Da wird man immer ganz klein sozusagen, wenn man das so erlebt: Da arbeiten Menschen jeden Tag, jede Woche einen Tag für uns, und dann sagen sie noch immer DANKE dafür, weil sie hier einfach eine Erfüllung finden. Da denke ich mir, ich darf die ganze Zeit da arbeiten, das ist mein Job – das gibt auch einen anderen Blick dann auf eine Funktion, die manchmal im Alltag natürlich mühsam ist und wo es Ärger gibt. Aber zu sehen, wie dann Menschen dankbar sind überhaupt hier arbeiten zu dürfen, das macht demütig und ein bisschen stolz gleichzeitig.“

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