Wenn Habib bei seinen „Buddies“ zu Hause eingeladen wird, kann er sie immer noch verblüffen. „Sein Weihnachtsgeschenk heuer für unsere Familie: Dreißig Eier und fünf Kilo Reis“, schmunzelt Hans. Da schlagen die Prägungen aus dem afghanischen Elternhaus durch, obwohl er inzwischen auch schon in Österreich angekommen ist. Seit mittlerweile drei Jahren sind das Pensionisten-Ehepaar Anna und Hans seine Buddies: Freiwillige, die eine Patenschaft für Menschen übernehmen, die neu in Österreich sind und ihnen dabei freundschaftlich helfen, sich in ihre neue Umgebung einzuleben.
"Eine Mitarbeiterin des Caritas-Projekts hat uns ein paar Leute vorgeschlagen, damit wir herausfinden können, wer am besten zu uns passt. Habib war uns gleich sympathisch. Sein Auftreten, sein Lächeln und wie er auf die Leute zugeht, das hat uns so gut gefallen. Jawohl, haben wir gesagt, das machen wir“, erzählt Hans. Und schon begann die Zeit des Kennenlernens.
Habib wuchs auf einem Bauernhof in Afghanistan auf. Als sein Vater starb, war Habib noch ein Kind. Später flüchtete die Familie in den Iran. Von dort aus machte er sich allein auf nach Österreich, während seine Familie in die Türkei ging. Als vor zwei Jahren auch seine Mutter starb, traf ihn das hart. Zum Glück waren Anna und Hans da schon Teil seines Lebens.
Von Beginn an unternahmen die Buddies mit ihrem Schützling Ausflüge in die Grazer Umgebung und organisierten auch andere gemeinsame Freizeitaktivitäten. Doch es war ihnen wichtig, es nicht nur dabei zu belassen. Sie wollten ihm dabei eine Stütze sein, sein Leben in Österreich zu gestalten. „Ich war am Anfang oft bei der Caritas und hab gefragt, wie es mit einem Deutschkurs ausschaut und das hat dann auch geklappt. Dann habe ich darauf geachtet, dass er eine Hauptschulausbildung machen kann und unser nächstes Projekt war dann schon die Asylbescheinigung“, erinnert sich Hans.
Auch mit ihrem Sohn Roland, der Hilfe braucht und deswegen immer noch bei den Eltern lebt, hat Habib eine gute Verbindung. Er nimmt ihn wie er ist und die beiden unterhalten sich prächtig. Und wann immer eine helfende Hand gebraucht wird, bringt er sich ein. Sei es in der Küche oder bei der Kürbisernte. „Wie den eigenen Kindern müssen wir auch ihm Freiheiten lassen. Wenn er sich nicht meldet, dann meldet er sich nicht. Wenn das 14 Tage werden, dann schreib ich ihn an, frage was los ist. Aber es ist meistens so: Wenn du nichts hörst von den Kindern, dann geht’s ihnen gut.“
Inzwischen sind sie schon drei Jahre lang Habibs Buddies. Sie sind froh, ihn in der Familie zu haben. Schließlich sind sie es gewohnt, ein volles Haus zu haben. Anna arbeitete als Diplomkrankenschwester, bevor sie ihrer beiden Kinder wegen zu Hause blieb. Doch sobald die größer waren, suchte sie nach einer neuen Tätigkeit. Sie machte eine Ausbildung als Tagesmutter – und in Haus und Garten tummelten sich Kleinkinder. Während sie so zur Spezialistin für kleine Kinder wurde, stand ihr Mann Jugendlichen zur Seite. Der pensionierte Chemotechniker bildete 40 Jahre lang Lehrlinge aus.
Gerne erinnert er sich an den ersten Ausflug mit Habib: „Wir waren auf dem Schloßberg und schauten auf Graz. Da sagte Habib: Das ist ein Paradies. Ja, habe ich gesagt, aber das ist nicht von selbst gekommen. Schau einmal dorthin, zum Bahnhof, ich kann mich noch daran erinnern, als dort nur eine Ruine war und auch die Annenstraße in Schutt. Zu meiner Verwunderung redete er daraufhin von der Monarchie, den Weltkriegen. Woher weißt du das alles, wunderte ich mich? Doch das hatte er schon zu Beginn seiner Zeit in Österreich gelernt.“