Das Caritas-Pflegewohnhaus Preding ist nur einen Katzensprung entfernt von Gertrudes Zuhause. „In der Früh füttere ich dort die Ziegen im Streichelzoo und dann geh’ ich auch schon ins Pflegewohnhaus und bring’ die Zeitung, damit die Leut’ was zum Lesen haben. Da sind ein paar, die warten schon drauf“, erzählt die 77-jährige. Seit bald 13 Jahren macht sie diesen Katzensprung täglich, tauscht sich mit den Bewohnerinnen und den Bewohnern aus und unterstützt, wo sie kann. Die siebenfache Mutter ist daran gewöhnt, auf andere einzugehen.
Auch, wenn es um alte Menschen geht. Denn jahrelang musste sie sich um ihre Mutter kümmern, die zuerst an Demenz erkrankte und in ihren letzten Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen war. „Aber es hilft nichts, da muss mann durch. Und ich habe dann auch gewusst, wie ich damit umgehe. Etwa dass ich ganz genau erklären musste, was ich sagen will, weil sie mich sonst missversteht. Später habe ich ihre Art alt zu werden gut verkraftet. Für mich sind alte Menschen immer Personen, vor denen man Respekt haben muss.“
Zu Beginn ihrer Erkrankung war die Mutter oft davongelaufen. Dann war die ganze Familie in eine lange, bange Suche eingebunden. „Wenn ich heute jemanden davongehen sehe, laufe ich gleich nach und schau’, dass ich den Mann oder die Frau zurückbringe“, lächelt sie und denkt dabei an die vielen freudigen Momente, die sie auch in schwierigen Situationen erlebt. Freilich gibt es schwere Stunden. „Wenn jemand stirbt, den ich kenne, das tut dann schon weh, aber dann rede ich mit meinem Mann darüber und es geht wieder."
"Für die Angestellten im Pflegewohnhaus ist das noch schwieriger. Ich bewundere alle, die da arbeiten“, sagt sie anerkennend. Die Menschen, die sie besucht, sind in einer Situation, die empfindlich und verletzlich macht. Besonders, wenn es keine Angehörigen gibt, die sie besuchen. „Du musst einfühlsam sein. Wenn ich aber hinausgehe, dann muss ich abschalten können. Die Leute erzählen so viele Dinge! Wenn ich hinausgehe, ist das für mich abgeschlossen. Ich sehe leider immer wieder, wie schlecht es Menschen geht, die in diesem Bereich arbeiten und schwere Themen mit nach Hause nehmen."
Gertrudes Leben war immer voll. „Ich habe mit 19 geheiratet – mein Mann und ich sind jetzt schon 58 Jahre verheiratet! – und wir haben sieben Kinder. Heute hat jedes davon ein eigenes Haus. Zwei - ein Sohn und eine Tochter – sind jetzt auch ihre Nachbarn. Und alle wissen: Zweimal am Tag, einmal am Vormittag, einmal am Nachmittag ist ihre Mutter bei den Menschen im Pflegewohnhaus. Und das ist seit vielen Jahren so. Begonnen hatte es damit, dass ihre Tante nach einem Schlaganfall dort einziehen musste.
Begleitet wurde und wird sie dabei immer von ihrem Hund. Zuerst war es ihr Maxi, jetzt ist es seine Nachfolgerin Jenny. Wie früher schon Maxi ist jetzt Jenny feinfühlig genug, sich von Menschen fernzuhalten, die sie nicht mögen. Es ist ja immer auch jemand da, der sie hätschelt!
„Ich sehe, wenn ich herkomme, wie sich die Leute freuen, dass ich komme. Das baut mich richtig auf. Ich denke mir immer: Das ist wie eine Familie. Die Angestellten sind so freundlich und die Atmosphäre in der Küche – ja, Familie!“
Wie in einer Familie ist Liebe Voraussetzung für das Gelingen. Ohne Liebe keine Freude. „Wenn jemand nur herkommt, um zu schauen, wie es hier ist, spüren das alle hier und reagieren ablehnend“, warnt sie. Sie bestätigt damit jenen Satz aus Antoine Saint Exupérys Kleinem Prinzen, der bei der Vorstellung des Pflegewohnhaus Preding auch auf der Caritas-Webseite zitiert wird: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." Und aus vollem Herzen reagiert Gertrude dann auch auf die Frage, wie lange sie dem Pflegewohnhaus die Treue halten wird: „So lange ich gehen kann.“