Mauern wie die, auf der Helmut gerade sitzt, wecken bei ihm Kindheitserinnerungen. Er sieht sich als Bub und neben sich ein Mädchen, das ihn auf Wolken schweben lässt. Ein Nachklang dieses Erlebnisses erfüllt ihn noch jetzt, als 51-jährigen. Immer dann, wenn er auf einer Mauer sitzt. Doch so ein Bauwerk kann zusammenfallen. Wie ein Leben. So ist auch sein altes Dasein in die Brüche gegangen. Das ist jetzt rund neun Monate her. Dabei soll ein Blick eine Rolle gespielt haben, eine Frau. Dazu der Wunsch nach radikaler Erneuerung. Graz dachte er, passt.
Helmut ist vorübergehender Übernachtungsgast in der Caritas Notschlafstelle Arche 38. In der Notschlafstelle können Menschen übernachten, die keine andere Unterkunft haben. Das geht tageweise. Manchmal auch über Wochen. Jeden Morgen nach dem Frühstück müssen sie das Haus bis acht Uhr verlassen haben. Um 18 Uhr können sie wieder kommen. Dann gibt es ein Abendessen für sie. Die Tage aber verbringen sie draußen.
„Ich bin auch Komponist“, sagt Helmut. Das Klavier ist für ihn das ausdrucksstärkste Instrument. „Ich kann in jedem Stil darauf spielen. Bach, Mozart. Als ich in Linz am Konservatorium war, haben mich die Symphonien von Bruckner und Beethoven fasziniert. Später bin ich über Elton John zu Pop, Rock, Soul und Jazz gekommen. Von der Berufung her bin ich aber ein Netzwerker. Es ist mir wichtig, Menschen kennenzulernen und Verbindungen herzustellen, die mit mir persönlich zu tun haben.“
"Ich bin zuerst der Regisseur in meinem Leben, zweitens Künstler und Musiker. Mein Ziel ist es, so viel zu erreichen, wie es mir möglich ist“, beschreibt Helmut seinen Ausgangspunkt.
In der Arche schätzt er die Verbindung zu all den Menschen, mit denen er zu tun hat. „Für mich ist es eine Art Therapie. Ich wusste nicht, wie ich mit dem zurechtkommen sollte, was da über mich hereingebrochen ist. Das hier ist harte Realität. Wie eine Rosskur. Hier musst du dich mit anderen auseinandersetzen. Mit Menschen zurechtkommen, die in ihrem eigenen Leben unterwegs sind, in ihrer eigenen Welt aufgehen. Und das, obwohl du am liebsten sofort ausbrechen würdest. So lernst du Selbstdisziplin.“ Und dann ist da zum Glück noch etwas, das die Tür zur Zukunft einen Spalt weit öffnet: „Natürlich bringt es mich weiter, dass so sympathische Menschen die Arche leiten. Sonst könnt‘ das nicht funktionieren.“
„Die Menschen, die zu uns kommen, sind sehr unterschiedlich“, sagt Andreas, Sozialarbeiter in der Arche 38. „Sehr viele Menschen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, kommen aus einem Umfeld, das die meisten als normal empfinden. Aber irgendwann sind sie falsch abgebogen. Dann ist es nicht so leicht, wieder in die Spur zu kommen. Manche schaffen es in zwei bis drei Wochen, andere brauchen viel länger. Wir begegnen ihnen auf Augenhöhe und so kommt es immer wieder zu einem sehr guten Austausch“, beschreibt er. Während dieses Austauschs beginnen sich neue Möglichkeiten abzuzeichnen. Immer wieder wird eine davon für einen Menschen zu einem ersten Meilenstein auf dem Weg in ein selbstgestaltetes gutes Leben.